22. November 2008

Hartz IV und ich


Als ich 1990 arbeitslos wurde, habe ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich es achtzehn Jahre später immer noch sein würde. Trotz intensiver Suche und mehrerer Fortbildungen hatte kein Arbeitgeber Interesse an mir. Auf Nachfrage wurde mir in Einzelfällen sogar gesagt, ich sei überqualifiziert. Über einen längeren Zeitraum habe ich die Zahl meiner Absagen nachgehalten und bei etwa 2.000 Absagen aufgehört. Ich wollte mir einfach nicht mehr das Leid antun, mein berufliches Aus auch noch quantitativ zu erfassen. Es war seinerzeit schon schlimm genug für mich, dass weder meine Fähigkeiten noch sonstigen Qualifikationen in der Berufswelt bedeutend waren.

Doch ich wollte und konnte nicht aufgeben und habe weiter gesucht, obwohl mir zu jener Zeit schon klar war, dass Arbeitgeber Menschen mit meinen beruflichen und persönlichen Qualitäten gar nicht wollen. Doch ich war auch immer davon überzeugt, dass diese Kritik nicht auf alle Arbeitgeber anwendbar ist. Und so habe ich nichtsdestotrotz weiter gesucht und gekämpft. Ich habe mir diese Suche nie leicht gemacht und bin immer in der Initiative geblieben. So habe ich schätzungsweise etwa 40 % Prozent meiner Bewerbungen auf Grund von Stellenangeboten geschrieben und für die restlichen 60 % habe ich mir überlegt, wo ich mich mit meinen Kenntnissen und Fähigkeiten bewerben könnte.

Keine Bewerbung habe ich "einfach mal so" geschrieben, weil jede Bewerbung Hoffnung in mir geweckt hat und jede Absage die Enttäuschung gefestigt hat, im Berufsleben nicht mehr gebraucht zu werden. Verstärkt wurden diese negativen Gefühlen noch durch mein Umfeld, das mich immer wieder motiviert hat, meine eigenen Erfahrungen und Ängste nicht ernst zu nehmen und mich weiter zu bewerben. Das ist zweifelsohne eine nicht ganz zulässige Verallgemeinerung, weil die Betroffenen genau so hilflos waren und sind wie ich.

Waren schon die seelischen Belastungen durch diese Ausgrenzungen teilweise kaum auszuhalten, so kamen die finanziellen Probleme hinzu, die dann zu zwischenmenschlichen Ausgrenzungen führten, weil ich finanziell nicht mehr mithalten konnte. Ich habe nie erwartet, dass andere für mich bezahlen; doch weiß ich auch nicht, wie dieser Zwiespalt zu lösen ist - entweder andere Menschen zahlen mir meine Unternehmungen wie Kultur oder Reisen oder ich verzichte sowohl auf diese Menschen wie auf diese Unternehmungen. Und neue Freundschaften oder Bekanntschaften werden dadurch stark erschwert, weil ich mit meiner Arbeitslosigkeit auch aus Fairness meinen Mitmenschen gegenüber offen umgehe. So wie andere über ihren Beruf reden rede ich über meinen Beruf Arbeitslosigkeit.

Die Schwierigkeiten liegen auch keineswegs an meiner Arbeitslosigkeit an sich, sondern an den damit verbundenen finanziellen Problemen, die oftmals gar nicht lösen sind (zumindest meine Fantasie stößt da an ihre Grenzen). Wer mich ein wenig näher kennt, kennt mich als lebensfreudig und energiegeladen.

Als politisch denkender Mensch bleibt bei dieser Thematik meine politische Sichtweise nicht außen vor:

Die im Grunde genommen größte Organisation - der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Einzelgewerkschaften - versagt hier auf ganzer Linie, weil sie nach wie vor starrsinnig ihre Mitverantwortung für die verfassungsfeindlichen Hartz-Gesetze leugnet, in Tarifauseinandersetzungen ihre arbeitslosen Mitglieder vergisst und arbeitslosen Mitgliedern häufig Steine zwischen die Beine wirft, wenn sie gewerkschaftliche Arbeitslosenpolitik gestalten und kämpfen wollen. Ich selbst habe diese Erfahrung hier vor Ort machen müssen und kenne eine Reihe arbeitsloser Kolleginnen und Kollegen, die dieselben Erfahrungen gemacht haben und machen.

All die zahlreichen Erwerbslosengruppen in unserem Lande machen zwar mühsame und erfolgreiche Arbeit. Aber diese Arbeit findet immer nur im Rahmen der menschen verachtenden und auf Sozialabbau bedachten Hartz-Gesetze statt. Und diese Gruppen fordern auch nur recht selten die Abschaffung dieser Gesetze. Ohne diese Forderung wird dieser Teil des Abbaus sozialer, menschlicher und grundgesetzlicher Rechte noch in Hartz V, Hartz VI ff. überführt werden.

Ich habe hier in meinem Gedankenbuch sehr viel dazu geschrieben - eigene Erfahrungen, eigene Gedanken und die Folgen für mich persönlich. Und ich muss gestehen, dass langsam und unaufhörlich die Zeit des Loslassens gekommen ist - auch wenn ich für mich tagtäglich weiterhin damit konfrontiert sein werde. In einigen Wochen werde ich 58, werde von meiner Arge glücklicherweise zufriedenstellend betreut und will sehen, dass ich meinen Lebensweg auch unter diesen Umständen mit viel Zuversicht, Lebensenergie, Glück, Gesundheit und persönlicher Zufriedenheit weiterhin gehen kann.

Für die Rechte der Arbeitslosen will ich mich (zumindest an dieser Stelle) nicht mehr einsetzen. Das sollen die Gewerkschaften ("Die Hoffnung stirbt zuletzt."), die zahlreichen nicht vernetzten Erwerbsloseninitiativen und auch die Arbeitslosen selbst tun - ich für meinen Teil ziehe mich ins "Privatleben" und mein unmittelbares Umfeld zurück.

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