5. September 2009

Gebrochener Lebenslauf


Mein Lebenslauf ist für Arbeitgeber kein idealer Lebenslauf, weil Arbeitgeber ideale - sprich: funktionierende - Arbeitnehmer wollen. Sie können nicht mit Menschen umgehen und noch weniger Menschen verstehen, deren Leben einige Umwege aufweist. Mein Leben weist Umwege auf - verursacht durch Wendungen, Krisen und Katastrophen in meinem Leben. Doch alle diese Umbrüche haben mich nicht schwächen können, sondern ich bin an und mit ihnen gewachsen. "Mit ihnen" heißt, dass ich sie angenommen, mich mit ihnen auseinander gesetzt und aus ihnen gelernt habe.

Doch das ist für Arbeitgeber mit ihrem Perfektheits-Anspruch ohne Belang. Ihre Untergebenen (es gibt auch Ausnahme-Arbeitgeber, die ich bisher nicht das Glück hatte kennen zu lernen) haben fehlerfrei zu sein und frei von persönlichen Schwächen - zumindest dürfen diese Schwächen und Krisen nicht ins Berufsleben ausstrahlen. Angeblich soll es Menschen geben, die sehr klar und konsequent zwischen Beruflichem und Privatem zu trennen wissen. Mir fehlt hier jedoch der Glaube, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass beispielsweise ein Mann privat der fürsorgliche Ehemann und Vater sein soll und beruflich der sachliche Mitarbeiter, den die privaten Sorgen und Nöte seiner Kolleginnen und Kollegen (Untergebenen?) kalt lassen.

Ich kann nicht einerseits ("privat") ein in Zusammenhängen denkender und hinterfragender Mensch sein und andererseits ("beruflich") ein nicht über den Tellerrand schauender und gehorsam-funktionierender Mensch sein. Das funktioniert bei mir einfach nicht, weil ich beruflich wie privat ein- und derselbe unteilbare Mensch bin.

Durchgemachte Krisen, Wendungen und Katastrophen - und das müssen Arbeitgeber noch lernen! - sind Chancen auch für Mitarbeiter zu wachsen und im Unternehmen mit persönlichen und zwischenmenschlichen Erfahrungen konstruktiv mitzuarbeiten. Nicht alle arbeitenden Menschen haben in ihrem Beruf Kundenkontakte, aber alle haben im Kollegenkreis mit Menschen zu tun. Und dort werden oft sehr hohe Anforderungen an Teamfähigkeit gestellt, die sehr Vielen fehlen - für die Arbeitgeber ein vermeintlicher Vorteil, weil sie dann nach dem Motto Teile und herrsche ihre Mitarbeiter gegeneinander ausspielen können anstatt das Klima für ein gemeinsames Miteinander zu schaffen, dass menschliche Zufriedenheit als Grundlage für ein gemeinsames Miteinander zum dauerhaften Wohl des Unternehmens schafft.

Ich habe oben darauf hingewiesen, dass es auch die Ausnahme-Arbeitgeber gibt; doch sind diese Menschen die absolute Ausnahme. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Erfahrung auch Menschen mit mir teilen, die Arbeitslosigkeit glücklicherweise am eigenen Leib bisher nicht erfahren mussten. Und ich wünsche diesen Menschen aus meiner tiefsten Seele, dass es für sie auch bis zu ihrem wohl verdienten Ruhestand so bleiben möge.

Neid auf die Menschen, die sich mit ihrer Arbeit noch ein zufriedenes Leben gestalten können, kenne ich überhaupt nicht. Es macht mich "nur" so manches Mal traurig, verzweifelt und wütend, dass mir von der Spezies der Arbeitgeber (unterstützt vom Staat) konsequent die Grundlage verweigert wird, mein Leben so zu gestalten, dass auch ich wieder längere Zeiträume mit Zufriedenheit und Entspannung erfahren und leben darf.

2 Kommentare:

  1. @Gerhard, ich teile mit dir das Gefühl keinen Neid auf Menschen zu besitzen, die sich mit Ihrer Arbeit noch ein (vermeintlich) zufriedenes Leben gestalten können. Schließlich haben wir jetzt mehr Zeit für die Dinge, die uns wirklich interessieren. Und...glaubst du wirklich, dass diejenigen, die in einem Angestelltenverhältnis tätig sind, auch demzufolge die zufriedeneren Menschen sind? Zugegeben, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat natürlich so seinen Vorteil, weil man sich nicht um alles selbst kümmern muss, was die soziale Sicherung angeht. Dennoch musst du doch zugeben, dass man sich um einiges befreiender fühlt, wenn man für sich selbst in die Tasche arbeitet und nicht für irgendein Arschloch, das sich Chef schimpft....Sie es doch mal so...Arbeitslosigkeit bietet so seine Chancen...

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  2. Ich habe auch schon hier in meinem Gedankenbuch mehrfach darauf hingewiesen, dass die Arbeitslosen und die (noch) Beschäftigten in einem Boot sitzen. Doch leider ist das bei den Gewerkschaften noch gar nicht angekommen: Bei den Tarifkämpfen geht es ausschließlich um mehr Geld. Dasselbe fordern auch die Arbeitgeber, wenn sie nicht mehr Löhne zahlen wollen.Wo ist denn die viel beschworene Solidarität? Keine Forderung in den Tarifkämpfen nach Abbau von Hartz IV. Keine Forderung nach Aufhebung der Sanktionen für Langzeitarbeitslose. Keine Forderung nach spürbarer Erhöhung der Regelsätze. Keine Forderung nach Einstellung zumindest eines Langzeitarbeitslosen in den eigenen Betrieb. Solidarität sieht anders aus!Die noch Beschäftigten sitzen leider im Boot, und die Langzeitarbeitslosen \"dürfen\" gnädigerweise solange nebenher schwimmen, bis dass sie untergehen.

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